Die Moritat vom Nebel

Beim Blick aus dem Fenster auf einen nebelverhangenen Vormittag ist mir gleich ein bisschen nach Lyrik zumute. Gottseidank beglücke ich die Welt nur noch selten mit einem meiner Reimwerke, aber heute muss es einfach sein:

Die Moritat vom Nebel

Nebel – man kann kaum was sehen.
Zwei Leutchen, die spazieren gehen,
nah dem frisch gepflügten Acker.
Die Lise ists mit einem Macker.

Er hält sich bei ihr eingehängt,
doch Lise fühlt sich stark bedrängt.
Dann will der Kerl sie auch noch bützen
zwischen Schlamm und tiefen Pfützen.

Lisens Not ist riesengroß,
darum reißt sie sich von ihm los
und flieht vor diesem wüsten Horst
durchs Stoppelfeld, stracks in den Forst.

Der Horst (in Wahrheit heißt er Walter
und ist ein Kerl in bestem Alter)
sieht Lise nur noch ganz weit hinten
in einer Nebelbank verschwinden.

Er schüttelt sich und fühlt sich schwach,
doch dann eilt er ihr hintennach,
mit großen und auch festen Schritten.
Will Lise um Vergebung bitten.

Walters Gang wird sehr bald schwer
und plötzlich geht dann gar nichts mehr.
Die Sache kommt ihm komisch vor
und er stellt fest, er steckt im Moor.

Zwischen Schilf und Krüppelkiefer
ziehts ihn tief und immer tiefer
in des Sumpfes kühlen Schlund,
des Moores bodenlosen Grund.

Um Hilfe schreit der Walter nun
(Ich würde ja das Gleiche tun),
doch bei der nebelichten Brühe,
ist ganz vergebens seine Mühe.

Schließlich ist er dann versunken.
Zwischen Blesshühnern und Unken
treibt nur noch einsam seine Mütze.
Der Rest west unter Entengrütze.

Die Lis findet sich unterdessen
tief im Forst und denkt vermessen:
„Gleich komm ich am Waldrand an.“
(Ach, wie man sich doch irren kann.)

Bald weiß sie nicht mehr ein und aus,
da sieht sie weit im Tann ein Haus.
Geschindelt ists von vorn bis hinten
mit Lebkuchen und Aachner Printen.

Lischen fühlt sich schon ganz matt,
auch weil sie ziemlich Hunger hat.
Drum beißt sie, sinnend „Gott sei Dank“,
ganz herzhaft in die Fensterbank.

Als sie nun so am Kuchen nagt,
da naht von hinten, hochbetagt,
ein Weib, das Lis zwar nicht verhext,
stattdessen mit dem Hackbeil ext.

So findet auch die holde Maid
ein Ende weit vor ihrer Zeit
und landet schließlich, welch ein Jammer,
in der Hexenspeisekammer.

Es folgt nun die Moral zum Ende:
Geht nie bei Nebel ins Gelände.
Entweder ihr versumpft im Nu
oder dient der Hexe als Ragout.