Eine sehr kurze Geschichte über sehr lange Musikstücke

Im Radio läuft wieder die SWR 1 Hitparade. Ich merke es auf der Fahrt zur Arbeit, weil auf dem größeren Teil meiner Wegstrecke, gelegentlich unterbrochen von Jon Lords Quäkorgel, das Bluesrockgeschrammel einer dieser unsäglichen Endloskompositionen von Deep Purple durch den Äther gejagt wird. Danach kommt es nicht besser. Mit nöliger Stimme bringt Peter Gabriel ein klimperig verkunstetes und bestimmt nicht kürzeres Frühwerk von Genesis zum Vortrage.

Und wie jedes Jahr frage ich mich, warum die Hörerin und der Hörer diese immergleichen musikalischen Marathonepen in die Hitparade wählen. Der Schwabe mag jetzt von seinem Morgenkaffee aufblicken und, ehe er in die eingetunkte Brezel beißt, sagen: „Ha, weil des no richtig gute handgmachte Musig isch!“ Die Schwäbin argumentiert, während sie die Kittelschürze zuknöpft: „Des isch halt voll Gänsehaut puuuur.“

Als ich am zweiten Sportschuhoutlet vorbeikomme, wird mir klar, dass die Lösung auf der Hand liegt. Es muss die Fabrikverkaufsmentalität sein, die den Schwaben mit Vorliebe für Musikstücke von nicht unter acht Minuten stimmen lässt. Wann sonst bekommt man auf einmal so viele Noten für seine Rundfunkgebühren. Ich bin fast angekommen. Die Zeit reicht noch für White Rabbit von Jefferson Airplane aus der Konserve – 2.29 min.